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Wild - Exaltiert - Sozialkritisch

  • Autorenbild: Julia Moldenhauer
    Julia Moldenhauer
  • 11. Nov. 2022
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 7. März 2023



Zum Titel


Der Roman „Leoparda“ von Anja Schmitter wurde 2022 im Lenos Verlag veröffentlicht. Das Buch umfasst 226 Seiten, ist ein Hardcover und trägt einen aufregenden Schutzumschlag. Zum Inhalt Kleoparda, ihr Name vereint Leopard und Kleopatra, hat so ihre Schwierigkeiten mit dem Erwachsensein. Kein Wunder, umgeben ist sie vorwiegend von Menschen, die sich nicht die Bohne für ihre Vorstellungen vom Leben und ihre Wünsche interessieren. Je widersprüchlicher ihr alles erscheint, umso schwerer fällt ihr die Orientierung, umso mehr verschwimmt die Realität, umso beängstigend entwickelt sich Kleo, bis sie mutiert zu einem Wesen, das aus den Zwängen der Gesellschaft ausbricht. Rezension Zunächst einmal – sieht es nicht phänomenal aus?! Aber nicht nur optisch ist dieses Buch ansprechend, es ist auch inhaltlich ziemlich gut. Der Debütroman der schweizer Autorin Anja Schmitter, die sonst für ein Gefängnistheater schreibt, lässt mich atemlos, aber auch etwas ratlos zurück.

Schon nach wenigen Seiten ist einem klar, Kleoparda ist nicht in der Lage, Menschen "zu lesen", zu durchschauen. Sie tritt in keiner Weise für sich und ihre Bedürfnisse ein, ist beeinflussbar, gutgläubig. Als bedrückend empfinde ich beim Lesen die großen und kleinen Widersprüchlichkeiten und Inkonsequenzen ihrer „Freunde“ und ihrer Familie, ja letztendlich der ganzen Gesellschaft. Dazu die herzzerreißende Sinnlosigkeit ihrer Arbeit und die allgemeine Perspektivlosigkeit, in einer Welt zu leben, die dem Untergang geweiht ist.

Kleo ist einerseits zu bedauern, andererseits konnte ich ihr Verhalten manchmal auch schlicht nicht nachvollziehen - doch muss ich das? Ich habe mich nach und nach damit abgefunden, nicht alles an dieser Geschichte verstehen und erklären zu können und mich einfach auf die Protagonistin und ihre Metamorphose eingelassen.

Der Roman greift völlig ungeordnet und ungefiltert globale wie private Dramen auf und lässt ein Individuum exemplarisch daran fast zerbrechen. In einer am ehesten als schizoaffektiven Psychose zu beschreibenden Zustand erfindet sich die Hauptfigur neu und legt jegliche Skrupel und Moral dabei komplett ab. Dieses Boshafte, Egoistische fand ich durch die zunehmende Surrealität befremdlich, ich gehe allerdings davon aus, dass dies von der Autorin beabsichtigt war.

Die Themen gehen sehr durcheinander und sind nicht immer in die Handlung eingebettet, was ich Anja Schmitter verzeihe. Dieses Bombardement mit feministischen, rassistischen, klimapolitischen, sozialen und ganz individuellen Themen sollte die Überforderung der jungen Frau wahrnehmbar machen, und das tut es auch, ich selbst war teils überfordert. Was ich besonders prägnant fand - ich mag solche Stilmittel sehr - waren die Wiederholungen einiger Sätze, ähnlich einer Schleife, aus der es keinen Ausweg gibt. „Nach Ägypten müssen wir wirklich auch mal als Familie" ist so ein Satz, der das ganze Dilemma beschreibt, bei dem einem klar ist, er wird nie in die Realität umgesetzt. Diese zyklischen Elemente sorgen jedoch keineswegs für irgendeine Vorhersehbarkeit oder Regelmäßigkeit, das Gegenteil ist der Fall. Von der ersten bis zur letzten Seite ist nichts vorhersehbar, kein einziger Satz. Man klammert sich an die wiederkehrenden Elemente, hofft, sie würden einem Halt geben doch eigentlich ziehen einem den Boden unter den Füßen weg. „Leoparda“ ist das Porträt einer Generation, die in eine unsichere Zukunft blickt, die vertöstet und ausgenutzt wird, die von Instabilität und Unsicherheit in allem was sie tut und was sie ist begleitet wird. Zum Verlag


1970 in Basel gegründet, hat sich der Lenos Verlag von einem Literaturkollektiv zum renommierten unabhängigen Schweizer Verlagshaus entwickelt.

Zum Verlagsprogramm gehört von Beginn an Belletristik aus der Schweiz, sowohl Klassiker als auch Neuerscheinungen und hier mit besonderem Augenmerk auf Debütromane. Ebenso werden Sachbücher zu Politik, Gesellschaft und Natur veröffentlicht.

Mit der Zeit bildeten sich zwei Schwerpunkte heraus. Unter dem Namen LENOS POLAR findet man gesellschaftskritische literarische Krimis. Des weiteren entwickelte sich im Verlag eine besondere Leidenschaft für zeitgenössische arabische Literatur. In der Reihe LENOS BABEL wurden bisher über hundert Werke von rund fünfzig arabischen AutorInnen übersetzt, womit der Verlag die umfangreichste Bibliothek moderner arabischer Belletristik in deutscher Sprache stellt.


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