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AutorenbildJulia Moldenhauer

Tragikomisch – Durchdacht - Modern



Zum Titel


Der Roman „Flecken“ von Christian Meyer wurde 2022 im Verlag Voland & Quist veröffentlicht. Das Buch umfasst 300 Seiten, ist ein Hardcover ohne Schutzumschlag und trägt ein Lesebändchen.

Im Anhang befindet sich eine Straßenkarte des fiktiven Handlungsortes und ein Personenregister.



Zum Inhalt


„Den Flecken“ nennen sie ein überschaubares Dorf im Norden Deutschlands, ein Ort, wie es viele gibt. Erik hat dem Kaff nach der Schule den Rücken gekehrt und lebt erfolgreich und glücklich in einer WG in Wien. Zurück ließ er seine Freunde, die Familie – und Neele. Zu ihrer Beerdigung kehrt er nun zurück, nicht sicher, ob ihn das alles eigentlich noch etwas angeht. Es wird eine Reise in die Vergangenheit.



Rezension


Ich möchte zum Inhalt gar nicht viel verraten, denn der Roman bietet mit einigen Überraschungen regen Abwechslungsreichtum. Ohne zu überfordern oder dass es unglaubwürdig anmuten würde, werden allerhand Themen angesprochen und so ist es Christian Meyer in seinem Debüt gelungen, Dorfroman, Coming-of-age-Geschichte und Gesellschaftsstudie unter einen Hut zu bringen.

Der Schreibstil begeistert von Beginn an und auch die Zeichnung der Figuren sorgen für ein kurzweiliges Lesevergnügen. Obwohl die Geschichte unbestritten tragische Aspekte hat, denn bereits im ersten Satz erfahren wir vom Tod Neeles, schafft es der Autor, eine vielschichtige, tiefgründige und dennoch leichte Atmosphäre zu schaffen. Alle Charaktere (es sind nicht wenige, denn wir lernen das halbe Dorf kennen) werden uns nach und nach in Rückblicken und in der Gegenwart vertraut gemacht, auf eine so warmherzige Art, wie ich es selten gelesen habe.

Das Naturell der Hauptfigur Erik ist ein wenig wunderlich. Er fragt nicht viel, er nimmt Dinge hin. Ich muss zugeben, dass ich dies zunächst fälschlicherweise als Konfliktscheue diagnostizierte, was dazu führte dazu, dass unser Kennenlernen etwas holprig war. Ich konnte diese Hauptfigur, die so ganz anders ist als andere, zunächst nicht einordnen und das ist wohl auch ein Aspekt, den die Geschichte um Neele und Erik und ihre Familien und Freunde ausmacht. Er sieht die Dinge, Storm, Fontane und Droste-Hülshoff zitierend, aus einem absolut nüchternen Blickwinkel. Seine aus sicherer Distanz betrachteten Ansichten zu den Fallstricken, die aus Beziehungen zwischen Männern und Frauen resultieren, sind humorvoll, entlarvend und verblüffend. Da es bereits auf dem Klappentext erwähnt wird, muss ich die Information, dass Erik sich lediglich platonisch zu allen Geschlechtern hingezogen fühlt, nicht verschweigen. Diese Perspektive ist in der Literatur selten, womöglich in neueren Werken einzigartig, daher bin ich so froh, dieses Buch durch einen Lesezirkel entdeckt zu haben. Mir würden auf Anhieb unzählige Geschichten einfallen, in denen das Thema eines stereotypen, geschlechtsspezifischen Frauenbildes zum Inhalt gemacht wird, jedoch keine einzige, die sich mit der Doppelmoral der gesellschaftlichen Normvorstellungen von Männern auseinandersetzt, nicht in dieser Form.

Christian Meyer bleibt mit seiner Geschichte nicht an der Oberfläche, er seziert das Beziehungsgeflecht um Erik, um Neele und ihre Familien, um damals und heute, um einen Lebensweg, der kein gemeinsamer sein konnte. Ein richtig guter Roman, der der Frage auf den Grund geht, ob Männer erst durch Frauen zu dem gemacht werden, was typisch männlich ist, ob man für das Glück und Unglück eines anderen Menschen die Verantwortung trägt und welche Fragen man besser einfach gar nicht stellt.

Der Magnet an dieser Geschichte jedoch war Erik, den ich – Seite für Seite ein Stückchen mehr- wie kaum einen Protagonisten in diesem Jahr liebte.

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