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Mahnend - Erinnernd - Beklemmend

  • Autorenbild: Julia Moldenhauer
    Julia Moldenhauer
  • 14. Aug.
  • 3 Min. Lesezeit
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Zum Titel

 

Der Bericht „Hiroshima – Eine Stimme aus der Hölle“ von Hisashi Tôhara wurde bereits 1946 geschrieben. 2012 erschien der Text erstmals öffentlich unter dem französischen Titel „Il y a un an Hiroshima“. Die deutsche Übersetzung von Anika Koide und Daniel Jurjew aus dem Japanischen ist seit Mai 2025 in einer Ausgabe des Weidle Verlags erhältlich.

Das Buch umfasst inklusive Nachwort 63 Seiten und ist ein Softcover.

 

 

Zum Inhalt

 

Dieser kurze Bericht entstand ein Jahr nach dem Atombombenabwurf auf die japanische Stadt Hiroshima, niedergeschrieben vom damals 19 Jahre alten Überlebenden Hisashi Tôhara. Aus dem Gedächtnis erzählt er uns, was ihm in dem Moment der Katastrophe und in den Stunden danach widerfahren ist und ihn noch ein Jahr später nicht loslässt.

 


Rezension

 

Am 6. August 2025 war es 80 Jahre her, dass US-Flugzeuge eine Atombombe auf die Stadt Hiroshima abgeworfen haben. Es war die erste, die in einem Krieg eingesetzt wurde, mit verheerenden Folgen für die Zivilbevölkerung. Dieser Bericht erscheint also zur rechten Zeit, jedoch ist es erstaunlich, dass er überhaupt erst 2012 erstveröffentlicht wurde – und das auch noch in Frankreich.

Am 6. August 1945 war Hisashi Tôhara 18 Jahre alt und grade frisch in der Oberschule. Er war mit einem Freund im Zug unterwegs, als die Atombombe explodierte und 100.000 Menschen sofort ihr Leben kostete. Doch davon ahnten Hisashi und Ochiai nicht, konnten sich nicht erklären, woher ihre Verbrennungen kamen und was überhaupt passiert war. Der ein Jahr später 19 Jahre junge Mann schreibt aus dem Gedächtnis, einerseits nüchtern, was sich zugetragen hat, andererseits mit so einer Erschütterung darüber, wie er nicht mehr hatte tun können, wie er jemandem nicht hatte helfen können, wie er selbst hatte überleben wollen. Im Nachhinein stellt er sich seiner Schuld, die er in seinen Augen auf sich geladen hat, geht mit sich ins Gericht, urteilt über sein Versagen, seine Unfähigkeit. Er hatte eine hohe Meinung von sich, hohe Erwartungen, jetzt, wo er Oberschüler war. Das muss ihn sein Leben lang beschäftigt haben, das ist seinen Worten anzumerken. Es ist nicht zu ändern. Er überlebte, überlebte sogar viele Jahre, während derer weitere 130.000 Menschen an den Folgen der Bombe starben.

Mieko Tôhara wusste, dass ihr Mann ein „hibakusha“ war, ein Überlebender der Atombombe. Gesprochen hat er zeitlebens mit ihr nicht darüber. Er wurde 80 Jahre alt und seinen Text über diesen Tag fand die Witwe erst nach seinem Tod im Jahr 2007. Er hatte den Bericht, nach einem Abstand von einem Jahr - wahrscheinlich für sich – geschrieben. Um mit dem Erlebten abzuschließen vielleicht. Zur Veröffentlichung war er nicht gedacht, er liest sich fast, als spräche er mit sich selbst, rechtfertigt sich, versucht, seine Erinnerungen zu verarbeiten, mit sich ins Reine zu kommen. Der junge Mann war kein Schriftsteller, die Formulierungen sind nicht ausgefeilt, er hat sicher nicht lange darüber nachgedacht, sondern einfach geschrieben. Dieses Ungeübte vermittelt einen sehr authentischen und unmittelbaren Eindruck.

Da es erstaunlich wenige dieser Berichte gibt, oder anders gesagt, wenige, die in Buchform und international veröffentlicht wurden, war es seiner Frau ein Anliegen, ihn zu zugänglich zu machen, ihr muss im Nachhinein bewusst geworden sein, was für ein Trauma ihren Mann all die Jahre belastet hat. Ihr Nachwort findet man im Anschluss an den Text. 2010 ließ sie Hisashis Erinnerungen für Freunde und Familienangehörige im Selbstverlag drucken und irgendwie ist er zwei Jahre später nach Frankreich an ein Verlagshaus gelangt.

Nun ist es, dank des Wedle Verlags, auch für die deutschsprachige Literaturlandschaft erschlossen und dieses Buch erscheint tatsächlich zu rechten Zeit, nicht nur, weil sich das Ereignis jährt, ein Ereignis, das für Deutschland und seine Bevölkerung ein Fakt der Weltgeschichte ist, für Japan aber hat es sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Und zu einer Zeit, in der Großmächte Atomwaffentest durchführen und die Weltlage derartig im Unfrieden ist, sind Geschichten von Zeitzeugen wie Hisashi Tôhara so unglaublich wichtig, von Menschen, die das Grauen und Elend bezeugen können, die uns ein einen unverstellten Blick auf diese schlimmste aller Waffen bieten. Ein eindrucksvolles Werk, die Erinnerung eines Betroffenen, auch als Schullektüre unbedingt zu empfehlen. Denn wir sind wieder in einer Zeit angelangt, in der die Auswirkungen nuklearer Waffen nicht mehr vorstellbar sind und deshalb eine Situation droht, in der ihre Verwendung irgendwann kein No-go mehr sind.

 

 

Zum Verlag

 

Der Weidle Verlag wurde 1994 als Kunst- und Literaturverlag gegründet, er hat seinen Sitz in Bonn. Seit 2024 wird der Verlag als Imprint des Göttinger Wallstein Verlages geführt. Das eigenständige Programm befasst sich seit jeher mit Themen rund um Krieg und Flucht. Die Herkunftsländer und Originalsprachen der Texte sind im deutschen Sprachraum oft unterrepräsentiert, der Verlag liefert daher einen wichtigen Beitrag zur Diversität des Literaturangebots. Ein Anliegen von Weidle ist es zudem, Werke aus dem deutsch-jüdischen Exil zu veröffentlichen und somit wieder- oder erstmalig - zugänglich zu machen.

 

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