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  • AutorenbildJulia Moldenhauer

Informativ – Aufklärend - Hoffnungsvoll



Zum Titel


„Gleissen“ von Anuschka Roshani ist gleichermaßen Reportage und Erfahrungsbericht. Es erschien 2022 im Verlag Kein & Aber. Das Buch umfasst 175 Seiten, trägt ein Lesebändchen und einen Schutzumschlag.

Auf dem Foto sind keine echten LSD-Plättchen zu sehen


. Zum Inhalt Die Berliner Verhaltensbiologin und Journalistin Anuschka Roshani wurde über verschiedene Biografien und Berichte immer wieder auf das Psychedelikum Lysergsäurediethylamid aufmerksam. Es wurde ursprünglich als hoffnungsvolles Medikament entwickelt und über 20 Jahre eingesetzt, dann aber von allerhand Kulturschaffenden, darunter MusikerInnen, SchauspielerInnen und AutorInnen aufgrund seiner kreativitätsfördernden Wirkung wie Bonbons konsumiert und ab 1971 mit anderen psychotropen Substanzen verboten, zunächst in den USA, kurze Zeit später auch hier in Europa. Doch damit ging auch eine große Chance verloren, ein Psychopharmakum frei von Nebenwirkungen, das nicht abhängig macht und ohne bekannte letale Überdosierungen gegen eine Vielzahl von psychischen Erkrankungen zu erproben und einzusetzen. Roshani findet heraus, dass es Forschungsgruppen zu LSD gibt und wagt schließlich eine Versuchsreihe überwachter Trips. Rezension Das gleissend weiße Cover - passend zum Titel - zog mich auf der Frankfurter Buchmesse magisch an. Der Klappentext versprach eine interessante Story, eine Reportage, ein Experiment, ein Erfahrungsbericht über die Einnahme von LSD. Ich habe noch nie irgendwelche Drogen konsumiert, ich rauche nicht einmal, ich kenne auch Niemanden persönlich, der je härtere Drogen genommen oder Arzneimittel missbraucht hat - oder ich weiß es schlichtweg nicht. Auch in meinem Sozialen Jahr in einer stationären psychiatrischen Einrichtung habe ich mit LSD nichts zu tun gehabt. Wie kommt es, dass ich sofort Horrorgeschichten im Kopf habe von Menschen, die aus ihrem Trip nicht mehr aussteigen konnten? Anuschka Roshani gibt zunächst eine fundierte Übersicht über die Entdeckung und die Geschichte des LSD. Das macht etwa die Hälfte des Buches aus und hat mir total gut gefallen, es gibt jede Menge wissenschaftliche Informationen aber auch viele Bezüge zur Biografie des "Erfinders" Albert Hofmann und zu Erfahrungsberichten berühmter Persönlichkeiten. Der Untertitel „Wie mich LSD fürs Leben kurierte" macht deutlich, dass Roshani an Geist und Körper gesund ist, das Psychedelikum also nicht hilfesuchend eingenommen hat. Warum sie dieses Experiment wagt, erklärt sie genau und ihre Beweggründe, ihr Antrieb, aber auch ihre Zweifel legt sie verständlich dar. Begriffe wie "alltagsmüde" und des "unaufgeregten Lebens" überdrüssig zu sein klingen absurd, doch hinterfragt man zwangsläufig sein eigenes Seelenkonstrukt und findet sich womöglich wieder. Was genau ihr in der Studie widerfährt, schreibt sie später auf, um sich ihrer Erlebnisse klar zu werden. Der Beschreibung der halluzinogenen Wirkung geschuldet, geht im letzten Drittel des Buches nicht mehr "nüchtern" zu, im wahrsten Sinne des Wortes. Ich, der ich überbordende, bildhafte, adjektivbeladene Sätze ermüdend finde, hatte ein bisschen zu kämpfen, obwohl ich natürlich einsehe, dass es für den Bericht Ihres Erlebens unerlässlich ist. Sie hat dem jedoch in weißer Voraussicht eine kurze Zusammenfassung vorangestellt und Leserinnen und Lesern somit eine Art Abkürzung geboten. Dieses Buch ist keineswegs ein Plädoyer für die Einnahme von LSD oder die sofortige Legalisierung als Psychedelikum zur therapeutischen Anwendung. Die nachhaltige, reflektierende und damit bewusstseinserweiternde Wirkung kann sich die Psychologie und Psychiatrie jedoch in der Behandlung von Angststörungen, Depressionen und Suchterkrankungen zunutze machen. Längst wird wieder in verschiedenen Ländern der Erde, in verschiedenen Modellen an den Anwendungsgebieten, an Dosierung und Wirkung geforscht. Roshani tritt als Vermittlerin auf, sie betreibt Aufklärung und lenkt die Aufmerksamkeit darauf, dass es durchaus potente Alternativen zu den teils mit massiven Nebenwirkungen belasteten Psychopharmaka gibt, deren eigentliche Wirksamkeit mitunter fragwürdig ist. Ein horizonterweiterndes, hochinteressantes Buch, hintergründig und unterhaltsam geschrieben, ein absolute Leseempfehlung. Und nicht zuletzt möglicherweise eine Hoffnung für viele Menschen.


Zum Verlag Kein & Aber ist ein unabhängiger Schweizer Verlag, der 1997 gegründet wurde. Neben CDs und DVDs werden seit 1998 auch Bücher und Comics publiziert. Dem Verlag liegt die Gestaltung der Bücher ebenso am Herzen, wie deren ansprechende Inhalte. Die Geschichte, die die AutorInnen erzählen, beginnt bereits mit dem Einband, der Papierqualität und der Schrift, dies alles soll eine Einheit bilden. Ein Verlag, der nicht auf Altbewährtes setzt sondern gern neue Stimmen zu Wort kommen lässt, neue Themen anspricht und Lesende im deutschsprachigen Raum mit ihren Büchern bereichert. Ganz besonders sind in diesem Verlag die - sonst eher als zweitklassig angesehenen - Taschenbücher, die mit farbigen Buchschnitten aufwarten, so dass sie vermutlich in den meisten Bücherregalen mit dem (Buch)Rücken zur Wand stehen.

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