Zum Titel
Die Biografie „Mist, die versteht mich ja! – Aus dem Leben einer Schwarzen Deutschen“ von Florence Brokowski-Shekete erschien 2020 im Orlanda Verlag. Das Buch umfasst 235 Seiten und enthält einige private Fotos der Autorin.
Florence Brokowski-Sheketes zweites Buch „Raus aus den Schubladen! – Meine Gespräche mit Schwarzen Deutschen“ erschien 2022 ebenfalls im Orlanda Verlag. Es umfasst 184 Seiten und enthält ganzseitige Fotografien der porträtierten Menschen.
Zum Inhalt
Wenn Florence Brokowski-Shekete über ihr bisheriges Leben erzählt, hört sich das nach Stoff für einen spannenden Roman an – also schrieb sie selbst den Roman, der von ihr handelt. In dieser Autobiografie geht sie detailliert auf ihren Lebensweg ein, der nicht immer einfach war. Als Tochter eines nigerianischen Ehepaares kommt sie in Norddeutschland zur Welt, ihre Eltern können sich jedoch nicht um sie kümmern, sie widmen sich ihrer eigenen beruflichen Bildung. Das kleine Mädchen wird von einer Pflegestation zur nächsten gereicht, bis sie mit 2 Jahren bei Irmgard Brokowski landet – und ein Zuhause findet. Bis auf wenige Unterbrechungen bleibt sie in Deutschland, ihre Eltern, inzwischen wieder nach Nigeria zurückgekehrt, lassen Florence ihrer Ausbildung zuliebe, zurückreisen zu ihrer „Wahlmama“ in Buxtehude.
Die Erinnerungen an die Zeit als kleines Kind, Mädchen, junge Frau und schließlich gestandene Erwachsene, ergeben eine unglaublich spannende Geschichte, aus vielerlei Gründen.
Nachdem Frau Brokowski-Shekete in ihrer Autobiografie ihren persönlichen und beruflichen Werdegang schildert, widmet sie sich in ihrem neuen Buch zwölf Schwarzen Menschen und deren Lebensgeschichten. Besonders hervorgehoben werden in diesen Profilen die schulischen Karrieren und der Weg zum heutigen Beruf. Welchen Herausforderungen mussten - und müssen - sich die Schwarzen Deutschen stellen, wo haben sie Diskriminierung erlebt, was ist Ihnen aus ihrer Kindheit und Jugend als prägend in Erinnerung geblieben?
Rezension
Ich möchte beide Bücher in einer Besprechung zusammenfassen, ich empfehle sie ohnehin beide, sie bauen aufeinander auf.
Diese Biografie liest sich inhaltlich wie ein Roman. Manche Autorin/mancher Autor muss sich derart dramatische und berührende Umstände aus den Fingern saugen, bei Florence Brokowski-Shekete ist alles echt. Und tatsächlich stimme ich überein und bin sehr froh, dass sie ihren bisherigen Lebensweg und ihre Erfahrungen als Schwarze Frau, als Schwarze Deutsche, mit uns teilt.
Gesehen zu werden ist wichtig als Schwarzer Mensch in Deutschland. Gesehen werden als Teil der Gesellschaft, nicht als Fremder, nicht als Gast, als vorübergehende MitbürgerInnen, sondern als hier beheimatet. Längst sind Menschen mit Migrationshintergrund in zweiter oder dritter Generation hier verankert, doch ganz speziell Schwarzen Menschen traut man noch immer nicht zu, fehlerfrei deutsch zu sprechen, hier zuhause zu sein, berufliche Kompetenzen zu besitzen spricht man ihnen oft ab, davon kann die Schulamtsdirektorin ein Lied singen.
Im zweiten Buch, in dem sich die Autorin mit Schwarzen Deutschen über ihre afrikanischen, afroamerikanischen und afrodeutschen Wurzeln unterhält, erfährt man von stereotypen Vorurteilen und Ungleichbehandlungen, die sich oft sehr ähneln. Und doch sind alle diese Menschen – die Autorin eingeschlossen – überaus positiv in ihrer Lebenseinstellung. Willensstark, freundlich, engagiert und reflektiert. Nicht alle der zu Wort gekommenen Männer und Frauen haben Erfahrungen mit Rassismus gemacht oder wurden geringschätzig behandelt, das war auch mal schön zu lesen. Doch die meisten wurden irgendwann Opfer von Respektlosigkeiten, Diskriminierung, Marginalisierung – von Schubladendenken. Einiges kann ich nachempfinden, ich bin ja ein empathisches Individuum, aber mit meiner weißen Haut sind mir Grenzen gesetzt, was einige Situationen angeht. Und hier tritt die große Stärke beider Bücher zutage, denn sie sind authentisch, ehrlich und ungekünstelt. Die Gesprächsteilnehmer sprechen offen über ihre Gefühle, teils aus frühester Kindheit. Das ist mitunter traurig, manchmal aber auch humorvoll beschrieben und vor allem horizonterweiternd für mich gewesen.
Wie gehe ich auf Menschen zu, die hervorstechen, die meine Neugier wecken, wie frage ich, wie fasse ich meine Verwirrung in Worte ohne verletzend zu formulieren?
Ich habe gelernt, dass, wenn ich mich bei stereotypen Gedanken oder diskriminierenden Vorurteilen erwische, ich dies reflektieren muss.
Der Umgang mit Diskrepanzen in unserem eigenen Denken trägt maßgeblich zu einem diskriminierungssensiblen Verhalten bei. Ich habe von Florence Brokowski-Shekete und den porträtierten Persönlichkeiten gelernt, dass Neugier, Interesse, Staunen und Unverständnis nicht schlimm sind, aufeinander zugehen und sich austauschen ist sehr gewünscht. Es werden auch einige Umstände und Verhaltensweisen von den Erzählenden selbst hinterfragt, es wird nicht alles ursächlich der Hautfarbe zugeschrieben, das hat mir gut gefallen und benennt unterm Strich den Wunsch nach respektvollem Umgang, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und vorurteilsfreies Begegnen, denn sonst lässt sich der ewige Kreislauf aus reproduzierten Minderwertigkeitsgefühlen und Ausgrenzung nicht durchbrechen.
Die Botschaft der Bücher ist einerseits an Schwarze Deutsche mit unterschiedlichen Wurzeln gerichtet, es sind positive Geschichten und solche, die Mut machen sollen, Erfolgsgeschichten mit Umwegen und Stolpersteinen. Die für Sichtbarkeit sorgen und Vorbilder schaffen. Auf der anderen Seite sind sie an alle Menschen gerichtet und stellen ein Plädoyer für Wertschätzung und Anerkennung dar, unabhängig von der Hautfarbe.
Zum Verlag
Der Orlanda Verlag wurde 2017 in Berlin gegründet. Unter dem Motto „Frauen, Weltkultur, Bewegung“ wird Belletristik mit Schwerpunkt auf Flucht, Migration und Diskriminierung publiziert und hat dem kleinen, unabhängigen Verlag in kurzer Zeit zu größerer Relevanz – und auch Bestsellern – verholfen.
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