Zum Titel
Der Roman „Glashauseffekt“ von Alexander Sperling wurde 2020 im Verlag &Töchter veröffentlicht. Das Buch ist ein Hardcover und umfasst 286 Seiten.
Auf das Buch wurde ich am Verlagsstand auf der FBM 2022 aufmerksam.
Zum Inhalt
Es ist das Jahr 2049, in Nürnberg findet ein als Kunstaktion deklamierter Schauprozess gegen eine ganze Generation statt, die untätig war, als die Auswirkungen auf Klima eindeutig absehbar waren.
Neben dem „Großen, Ganzen“, der Arbeitslosigkeit, der Dürre und der Verbreitung einer bekämpft geglaubten Infektionskrankheit, stellt sich die junge Journalistin Erica als Prozessbeobachterin auch ganz persönliche Fragen.
Rezension
Dieser Roman ließ sich unheimlich gut lesen. Anders als andere Dystopien, die in der nahen Zukunft spielen, werden hier nicht Katastrophen in den Vordergrund gestellt, man könnte eher sagen, sie bilden das Gerüst. Das war mir erst nicht konkret genug, natürlich beschreibt Alexander Sperling die Folgen des Klimawandels, aber nicht plakativ sondern fast beiläufig. Letztendlich macht aber grade das meinen Gesamteindruck des Buches aus, denn ich bin ein Angehöriger der Generation, die in „Glashauseffekt“ angeklagt wird. Beispielhaft wird eine Rennsportlegende und Verfechter des Motorsports für unsere Blindheit, Ignoranz und unser Versagen vorgeführt. Auch heute schon spielen sich Klimakatastrophen irgendwo auf der Welt, ja teils in Deutschland ab, dennoch ist unser Ökosystem nicht im Zentrum unserer Aufmerksamkeit und diese Nebensächlichkeit finde ich stilistisch richtig gut dargestellt.
Wir lernen die Figuren recht gut kennen, das soziale Geflecht um Erica stellt Konflikte auf verschiedenen Ebenen dar, besonders interessant ist hier der in der Literatur oft zum Kern der Handlung gemachte Generationenkonflikt, der aber in diesem Roman eine ganz andere Färbung hat und eine ganz neue Thematik behandelt, nämlich ein zunehmendes Fremdheitsgefühl, Gewissenskonflikte, Schuldzuweisungen.
Die Erzählweise ist ruhig und leise, verfehlt aber grade dadurch ihre Wirkung nicht. Der Roman ist ein bisschen apokalyptisch, aber nicht sehr. Ein bisschen politisch, aber am Rande. In Teilen gesellschaftskritisch, aber nicht vorrangig. Es ist ein Apell, ein Anstoß zum Nachdenken, er verurteilt nicht, er spricht aber auch nicht frei von Schuld. Er beleuchtet diverse Seiten durch die Perspektivwechsel.
„Glashauseffekt“ ist glaubhaft und so ungewiss unser Blick auf die nächsten 10, 30, 50 Jahre sein mag, dieses Buch ist - wie der Untertitel es sagt – ein Zukunftsroman, kein Endzeitroman mit einem sehr hoffnungsvollen Schlusswort. Thematisch passt das Buch hervorragend in das Gesamtkonzept des Verlages! Zum Verlag Fünf junge Frauen nahmen 2019 ihr Leben, ihre Karrieren und ihr Glück in die Hand und gründeten ihren eigenen Verlag.
&Töchter begann zunächst mit einer Vorlesungsreihe, bei der sie unbekannten Talenten die Möglichkeit gaben, mit ihren Texten die Öffentlichkeit zu erreichen.
Ungewöhnliche Wege zu gehen, Kunst und Literatur zu verbinden, Lesen zu einem Erlebnis machen, darum geht es den Verlegerinnen. Mit der Zeit gehen, neue Stimmen sprechen lassen und vor allem junge Menschen aufmerksam machen auf das Buch, das liegt ihnen am Herzen. Zum Konzept gehört deshalb - neben einer zeitgemäßen nachhaltigen Produktion - dass Nachwuchstalenten aus marginalisierten Gruppen eine Plattform geboten wird und kontemporäre Themen aus Gesellschaft und Politik Leserinnen und Leser erreichen.
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