Zum Titel
Der Roman „Die Zwei Und Vierzig Jährige Äffin“ von Michael Kosmeli wurde im Jahr 1800 erstveröffentlicht. Die vorliegende Ausgabe von 2023 wurde herausgegeben von Dirk Sangmeister im Verlag Das Kulturelle Gedächtnis. Es hält sich wortgetreu an das Original, lediglich Satzfehler wurden berichtigt. Das Buch umfasst einschließlich Nachwort des Autors und Anhang 238 Seiten, der Roman selbst endet nach 173 Seiten.
Es handelt sich um ein haptisch aufregendes, hochwertig bedrucktes Hardcover mit Kopfbuchschnitt.
Zum Inhalt
Die Tochter eines afrikanischen Königs verdreht der Männerwelt Europas nicht nur den Kopf, sondern auch den Geldbeutel. Adelige, Gelehrte und Geistliche, sie wickelt sie alle mit ihrer Direktheit, ihren körperlichen Vorzügen und hauptsächlich ihrer Raffinesse um den Finger. Michael Kosmeli veröffentlichte seinen Roman mit dem Untertitel „Das vermaledeiteste Märchen unter der Sonne“ im Jahr 1800, als angeblich anonyme Memoiren aus dem Arabischen übersetzt - das Buch wurde umgehend verboten. Es ist eines der wenigen so früher Entstehung aus dem Bereich erotischer Literatur in deutscher Sprache und wurde nun neu aufgelegt, vom Literaturhistoriker Dirk Sangmeister herausgegeben und mit zahlreichen Ergänzungen versehen.
Rezension
Das hat Spaß gemacht! Was für einen Skandal muss dieses Buch damals ausgelöst haben! Auch aus heutiger Sicht muss ich sagen, da geht es heiß her. Eine junge Woman of Color (als Hauptfigur in deutscher Literatur!) gibt nicht viel auf Etikette, sie möchte ein gutes Leben, möchte freizügig genießen, sich nicht nur an einen Mann – oder auch nur ein Geschlecht - binden und trifft in der noblen Gesellschaft auf Ihresgleichen. In 200 Jahre alter Sprache hört sich das, was sich bei den Abendveranstaltungen, aber auch privat in ihren Liebschaften abspielt, sehr umwunden an und doch wird kein Blatt vor den Mund genommen. Hilfreich ist hier, dass es eine Art Übersetzung in den heutigen Sprachgebrauch auf jeder Seite gibt, um die aus der Mode geratenen Formulierungen direkt nachzusehen. Ich liebe diese aus heutiger Sicht übersteigerte Sprache und hatte meine helle Freude an so mancher Situation, die so farbenfroh und bildreich beschrieben wird.
„Nach zwei Stunden der geistigsten, spirituösesten Unterhaltung, führte mich, ich weiß nicht welcher Genius an einem Sopha vorüber, welches in einer Nische im Hintergrunde stand. Ich stieß mit der Stirne an einem herabhängenden Spinnfaden an, verlor das Gleichgewicht und sank auf die stahlfedernen Kissen rückwärts nieder. Der Ritter wollte mir beispringen, stolperte aber auch, und fiel so lang er war auf mich.“ (S. 95)
Was andere womöglich altmodisch nennen würden, halte ich für höchst wundervoll und abwechslungsreich und bedauere in vielen Fällen, dass Worte wie „Okularkonversationen“ aus dem deutschen Sprachgebrauch verschwanden. Dennoch ist es dadurch kein leicht lesbarer Roman, denn teils sind die Sätze ohne die zahlreichen Randbemerkungen nur schwer verständlich. Diese lohnen sich aber ohnehin zu beachten, da dort auch unglaublich viele Querverweise zu Geschichte, Literatur, Musik und vielem mehr zu finden sind. Der Literaturhistoriker Dirk Sangmeister hat somit nicht nur das Original leicht verbessert neu herausgegeben - wobei Interpunktion und alte Schreibweisen beibehalten wurden, sondern eine ganz neue Ebene hinzugefügt, die sehr interessant und zudem lehrreich ist. Es ist ein anspruchsvolles Buch, im besten Sinne.
Witzig, süffisant, mitunter boshaft erzählt die Dame von Peinlichkeiten bei körperlichen Arrangements, von den Egos weißer, alter Männer und lässt sich über die Kirche aus. Das alles kurzweilig und ohne große Umschweife, so dass ich keine einzige Länge im Text feststellen konnte, was auch an den kurzen Kapiteln liegt, die trotz der besonderen Sprache kein Wort zu viel enthalten. In diesem saloppen Erzählstil macht einfach jeder Satz Spaß und ein ganz spezieller Humor ist spürbar.Betrachtet man allein die Handlung, so ist es eine spannende, frische und frivole Geschichte. Die Form der Memoiren erzeugt eine andere Stimmung als es ein auktorialer Roman tun würde und wurde womöglich auch in der Absicht gewählt, eine Distanz zum männlichen Autor zu schaffen (es erschien 1800 tatsächlich zunächst anonym), aber vor allem, um das Ganze als "Märchen" greifbarer zu machen, was es allerdings nicht weniger skandalös wirken lässt. Zu einer Zeit, als Goethe ein ganz anderes Frauenbild prägte, wird hier nicht nur freie Liebe proklamiert, eine weibliche Hauptfigur entscheidet bewusst und ermöglicht in ihren Stadthäusern auch anderen Frauen und Männern gleichgeschlechtliche körperliche Kontakte, aber auch feste Beziehungspflege. Untreue ist eine Schwäche, für die man sich nicht schämen muss, wenn man den Partner ebenfalls nicht einschränkt.
Dies alles in einer selbstbewussten Art gelebt macht die „Äffin“ zu einer großartigen Heldin. Allerdings eine, bei der man nicht weiß, ob man sie bewundern oder fürchten sollte. Lieben musste ich sie dafür und behalte sie mit ihrem Pragmatismus und ihrer Unbändigkeit in ewiger Erinnerung.
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