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  • AutorenbildJulia Moldenhauer

Minimalistisch - Zärtlich - Sprunghaft



Zum Titel


Der Roman „Nordstadt“ von Annika Büsing wurde 2022 erstmals veröffentlicht. Die vorliegende Ausgabe ist ein Hardcover im Leineneinband mit Lesebändchen und ist im Steidl Verlag erschienen. Das Buch umfasst 123 Seiten.

Das Buch kam im Rahmen eines Lesezirkels zu mir, bei dem Bücher alle 2 Monate weiterwandern und man die Leseerfahrungen in einem Notizbuch für den ursprünglichen Besitzer vermerkt. Danke Anja!



Zum Inhalt


Nene hat es mit viel Willensstärke geschafft, sich ein eigenes Leben aufzubauen, weg vom gewalttätigen Vater, raus aus der Wohnung im Problembezirk der Stadt. Seit dem Tod ihrer Mutter hat sie engen Kontakt zu ihrer Halbschwester Alma, die ihrem Alltag etwas Struktur gab. Nene ist Bademeisterin im Hallenbad, wo sie eines Tages Boris trifft, der Menschen hasst. Auch er hat Gewalterfahrungen, wenn auch hauptsächlich psychisch, da er nach einer Polioinfektion nicht mehr uneingeschränkt beweglich ist. Zwischen den Beiden entspinnt sich eine zarte Romanze und eine tiefe Freundschaft. Doch immer wieder kämpfen beide mit ihrer Vergangenheit, die sich zwischen sie zu stellen versucht.



Rezension


Über das - mittlerweile als Taschenbuch bei Steidl erschienene - Debüt von Annika Büsing habe ich schon viel gehört und gelesen und bin froh, es nun im Rahmen unseres „Buch-und-Notiz-Zirkels“ kennengelernt zu haben.

Leider muss ich sagen, ich teile die mehrheitliche Begeisterung nicht.

Nach wenigen Seiten merke ich, dies ist keine homogene, chronologische Erzählung. Aber es gibt nicht einfach nur Wechsel in Zeit und Ort, dies passiert auch mitten auf einer Seite, ohne erkennbares Muster und für mich absolut schwer, zu verfolgen. Wenn ich nun, nach Beendigung der Lektüre zurückblicke, habe ich schlicht keine Übersicht. Welcher Kinobesuch kam wonach, was folgte welcher Situation? Ich kann es nicht einordnen, selbst wenn die Kinobesuche Nummern hatten, trotzdem fehlt mir der Verlauf dieser Liebesgeschichte, die Entwicklung wird permanent unterbrochen. Somit waren mir die Verhaltensweisen der Figuren teils unverständlich, als später darauf Bezug genommen wurde, waren bereits weitere Unklarheiten, die mich beschäftigten. Für mein Gefühl wurde keine einzige Situation am Stück erzählt und das machte mir beim Lesen keinen Spaß.

Des Weiteren ist die Erzählweise sehr repetitiv, gebetsmühlenartig werden Sätze wiederholt und Nichtigkeiten eingefügt und das auf 120 Seiten, unterm Strich ist die Handlung eigentlich minimal. Es gab in letzter Zeit einige Bücher, bei denen ich diese Wiederholung von kleinen Aussagen mochte, die mich zum Schmunzeln brachten. Hier jedoch habe ich den Sinn nicht verstanden und muss sagen, dass sie meine Orientierungslosigkeit die Handlungsabfolge betreffend, noch verstärkten und mich zugegebenermaßen teilweise genervt haben. Positiv war, dass nur wenige Personen vorkommen, die in der Kürze treffend porträtiert sind. Sie alle entstanden klar und deutlich vor meinen Augen.

Es kommt mir vor, als habe die Autorin ihren Stil, ihre Sprache, hier noch nicht gefunden. Die Ich-Erzählerin Nene spricht natürlich in ihrer Jugendsprache, da fallen gern mal Kraftausdrücke, auch Fäkalsprache ist dabei, insgesamt ist die Wortwahl einfach und leicht, kurze, unkomplizierte Sätze lassen einen das Buch so weglesen. Und dann sind da diese ganz besonderen kleinen Sätze, die wunderbar virtuos sind. Es sind nicht viele, aber sie sind da, da ist Talent und Potenzial. Nur leider passt es nicht rein, der Erzählstil ist nicht konsequent durchgehalten. Ich hätte die anspruchslose Sprache von Nene nicht gebraucht, um sie einem Problemstadtteil zuordnen zu können, sie hätte gern poetischer erzählen können, das macht mir viel mehr Freude beim Lesen. Die gezwungene Einfachheit, gepaart mit den Lieblingssätzen, die so zielstrebig ins Herz treffen, lassen mich gespannt auf weitere Bücher der Autorin zurück, denn da ist etwas da, noch nicht ganz ausgereift, aber es blitzt hier und da hervor. „Nordstadt“ war für mich kein Highlight.



Der Verlag hat dem Roman eine Triggerwarnung vorangestellt, aufgrund von Beschreibungen physischer, psychischer und sexualisierter Gewalt, bitte beachten.

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