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  • AutorenbildJulia Moldenhauer

Inklusiv - Bunt - Divers



Zum Titel


Das Bilderbuch „Wir alle im Stadtgewimmel“ ist ein großformatiges Pappbilderbuch und erschien im Herbst 2023 im Orlanda Verlag. Die Idee und das Konzept zu diesem Buch stammen von Kori Klima, illustriert wurde es von Isabelle Göntgen.



Beschreibung


Jeder, der Kinder in seinem näheren Umfeld hat - und mancher womöglich noch aus der eigenen Kindheit – kann sich unter dem Begriff WIMMELBUCH etwas vorstellen. Für alle anderen: das sind Bücher für Kinder ab dem Kindergartenalter, in denen es vor Entdeckbarem nur so wimmelt. Oft kommen sie im großen Format daher und die Seiten sind voll mit Tieren, Menschen, Gerätschaften, alle tun etwas, überall passiert etwas. Hierbei ist oft kein Text zu finden, unter Umständen aber eine kleine Einleitung – wie auch in diesem Buch – in der einzelne Personen oder Tiere namentlich vorgestellt werden und die es dann im Gewimmel zu suchen und zu verfolgen gilt.



Rezension


Ich als dreifache Mutter hatte schon so manches Wimmelbuch in der Hand und bin großer Fan dieses Genres, so kann man es schon fast nennen. Kinder können sich lange allein damit beschäftigen, daher sind sie so beliebt. Auch wenn man zunächst irritiert ist, wenn das vierjährige Kind einem auf den Schoß krabbelt und anordnet: „Vorlesen!“ – doch, ja, das geht irgendwie, also natürlich nicht Wort für Wort, sondern Bild für Bild und darüber sprechen. Was sieht das Kind? Gemeinsam lässt sich gut interpretieren, denn versteckt sind viele kleine Szenen, vielleicht ein Streit. Schau mal, das Kind weint, was mag da passiert sein? Ein richtig tolles Konzept, das Kind lernt zu beobachten, Zusammenhänge zu erkennen und Empathie auszubilden. Aufgrund des Gewusels auf den Bildern empfehle ich diese Bücher erst ab 3 Jahren, halte sie allerdings bis weit ins Grundschulalter noch für eine geeignete Lektüre um die angesprochenen Kompetenzen, vielleicht auch gezielt bei Schwierigkeiten, zu fördern.

Nun hatte ich an den Darstellungen nie etwas auszusetzen, ich bin das, was man eine weiße CIS-Frau nennt und bin heterosexuell. Ich habe nie das Gefühl gehabt, irgendwomit „nicht gemeint“ gewesen zu sein. Und doch kenne ich das Gefühl, einer Norm nicht zu entsprechen, auf wie viele verschiedene Arten, wird einem deutlich, wenn man „Wir alle im Stadtgewimmel“ ansieht.

Wie sieht die Stadt aus, in der ihr lebt? Stellt euch zum Beispiel einen Freibadbesuch vor, es ist Sommer, es ist warm, viele Menschen sind dort. Wie sehen diese Menschen aus? Ein recht junger Mann steht am Beckenrand, er hat nicht mehr viele Haare am Hinterkopf. Jugendliche schauen in ein Handy, alle haben unterschiedliche Körper. Die letzte Rasur der Beine bei einem Mädchen ist eventuell schon ein paar Tage her. Eine junge Frau mit muslimischer Badebekleidung und Kopftuch planscht mittendrin. Cellulite sieht man auch hier und da. Da hat auch jemand eine Narbe! Alles so, wie wir es kennen. Aber sieht man das sonst in Büchern? Sieht man in Bilderbüchern Menschen mit Behinderungen repräsentiert? Und ich meine jetzt nicht ein niedliches Mädchen im Rollstuhl, das außer dem Rollstuhl keine erkennbare Einschränkung hat. Hier sieht man nun viele ganz verschiedene Arten von körperlichen Beeiträchtigungen, fehlende Gliedmaßen, Sinneseinschränkungen, Hilfsmittel. Und man sieht, was diese Kinder und Erwachsenen alles können, aber auch, wobei sie Unterstützung brauchen. Man sieht verschiedene Hautfarben, auch das ist durchaus kein Anspruch, den sich aktuelle Kinderbücher auf die Fahne geschrieben haben. Auf jeder Seite sieht man einen oder mehrere Menschen mit Vitiligo, was noch immer als Krankheit bezeichnet wird, obwohl es – ähnlich einem Feuermal, einfach eine Pigmentstörung ist, die keiner Heilung bedarf, sondern Akzeptanz. Und dann wären da noch alternative Lebensweisen, was Gender, Partnerschaft usw angeht. Patchwork, Care-Arbeit, es wird alles thematisiert. Ich könnte stundenlang jedes einzelne Bild beschreiben, aber kauft euch einfach dieses Buch!

Zwei Szenen jedoch möchte ich besonders hervorheben, weil ich sie einfach so besonders finde. Da ist zum einen der Obdachlose auf einer Bank, man sieht Mülltüten mit seinen Habseligkeiten, auch Flaschen stehen dabei. Kennt ihr? Aber nicht aus Büchern für Kinder, oder? Aber wie bringt man das Gespräch darauf? Lieber bei einem Stadtbummel, wenn man tatsächlich an so einem Menschen vorbei geht? Und Kinder fragen, sie wollen wissen, wieso hat der denn kein Zuhause?! Die andere Szene ist die der Familie an einem frischen Grab, ein Ehepaar mit zwei Kindern, man sieht ihnen die Trauer an. Wen haben sie verloren? Auch darüber lohnt es sich, mit Kindern zu sprechen, ihnen mit diesen Bildern die Möglichkeit geben, Fragen zu stellen, Gedanken zu äußern und zu zeigen, das ist auch das Leben, das findet auch statt da draußen und gehört dazu.

Mit diesem Buch haben sich zwei Frauen richtig Gedanken gemacht. Kori Klima, eine vielseitig interessierte, engagierte und beruflich wie privat tief im Inklusionsthema verwurzelte Berlinerin und die überaus feinfühlige und talentierte Illustratorin Isabelle Göntgen, eine aus Südkorea stammende Schwarzwälderin, haben zusammen ein so bedeutendes Buch erschaffen, das nicht nur in jedes Kinderzimmer gehört sondern in jede Kita und jedes Wartezimmer, mögen es auch die Erwachsenen zur Hand und sich zu Herzen nehmen.

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