Zum Titel
Der Roman „Und das Universum schweigt“ von Johanna Wurzinger ist eine deutschsprachige Neuerscheinung aus dem März 2022. Die vorliegende 1. Auflage erschien bei Elster & Salis Wien. Das Buch umfasst 392 Seiten.
Es trägt keinen Schutzumschlag und hat ein Lesebändchen.
Ich durfte das Buch bereits vor der Veröffentlichung lesen, der Verlag stellte es mir freundlicherweise als Rezensionsexemplar zur Verfügung.
Zum Inhalt
Viktor ist Autor. Für seinen Verlag schreibt er jedoch keine Bestseller, vielmehr sind es Klappentexte und Inhaltsangaben von Ratgebern. Aber das kann doch nicht alles sein. Oder doch? Ihm kommt es so vor, dass, als er alt genug wurde, um alles zu dürfen, sich die Welt dergestalt entwickelte, dass man plötzlich kaum noch etwas durfte! Alles muss nun mit einer derartigen Konsequenz gelebt werden, mit einer Inbrunst, alles muss in Kategorien eingeteilt werden und gleichzeitig so verallgemeinert werden, dass ja nichts ausgeschlossen bleibt. Es gibt widerkehrende Phasen in seinem Leben, da hat er einfach alles satt. Seine Unsicherheit und die Unzufriedenheit über seine Inkonsequenz betäubt er mit Alkohol, bis zum Systemabbsturz. Patrizia möchte für immer das Leben einer 30-Jährigen leben, einfach genießen, keine festen Verpflichtungen. Für die ihr von der Gesellschaft empfohlenen Einschränkungen (Familienplanung, Seriosität) hat sie kein Verständnis. Doch merkt auch sie zunehmend, wie ihre Lebenseinstellung zu Disharmonien im sozialen Umfeld führt. Macht sie es falsch? Oder sind es die Anderen, die durch sich selbst auferlegte Regeln langsam verbittern? Wir gehen mit den beiden Hauptfiguren durch ihre Höhen und Tiefen, sehen dabei zu, wie sie ihre jugendliche Protesthaltung erhalten wollen, ja nicht Mainstream sein, bloß nicht wie die Eltern werden, nicht alles einfach hinnehmen, selbst denken, selbst entscheiden. Ohne eine Lösung, wie man in all dem Durcheinander glücklich sein soll, begegnen sich die beiden an einem Pool auf Mallorca.
Rezension
Achtung. Dieses Buch tischt einem in rasendem Tempo und völlig impulsiv sämtliche (und ich meine damit alle!) Themen mit Streitpotenzial auf, die man sich vorstellen kann. Das Explosivste aus Kindererziehung, Politik und Wirtschaft, Klima, Wohnungseinrichtung und Kuchenvorlieben. Dabei driftet die Autorin nicht in Klischees ab, tatsächlich hält sie uns eher den Spiegel vor und entlarvt unseren inneren Viktor. Manchmal nicht ganz politisch korrekt, manchmal recht obszön ausgedrückt aber mit einer Menge Humor, mal feinsinnig, mal mit der Brechstange zeigt sie die Unvereinbarkeiten, die wir uns selbst – und vor allem gegenseitig - tagtäglich einbrocken. Es hat mir so große Freude beim Lesen gemacht!
Das Buch kommt mit wenigen Figuren aus, doch diese werden fein ausgeleuchtet und zeigen herrlich differenziert ihre so gegensätzlichen Charaktere. Johanna Wurzinger beweist in diesem Debüt ein enormes Talent, man lernt diese Personen tatsächlich kennen, man erlebt sie. Die Emotionen beschreibt sie so greifbar, dass einen jeder Satz mitreißt.
Die Handlung folgt keiner Chronologie, so erschließt sich nach und nach der Arbeits-, Freundes- und Familienkreis der Hauptfiguren, was manchmal etwas wirr daherkommt, aber durchaus Spannung erzeugt.
Der Roman dreht sich meiner Meinung natürlich um die Sinnkrise, was mache ich nun aus meinem Leben? Aber das ist für mich nebensächlich geblieben, vielmehr geht es darum, für wen ich es mache. Für Andere, die sich stetig das Recht herausnehmen, über mich zu urteilen? Die Welt, die "beste aller Welten", wie Viktor es gerne nennt, wird immer komplizierter, man kann es niemandem recht machen, es gibt zu viele Meinungen und Unwägbarkeiten, und jeder verteidigt seine ignorant als die einzig wahre. Im Roman hat Johanna Wurzinger das Medium der "Erzählstimme" eingeflochten, sie ist die Summe aller Meinungen, die stetig auf Viktor einprasseln. Je mehr er aneckt mit seiner Denk- und Lebensweise, umso öfter kommentiert der Erzähler seine Normlosigkeit. Hören wir nicht alle diese Stimmen, sie kommen von außen, von Verwandten und Freunden, aber sie sind auch in uns, sie kommentieren unser Leben. Hören wir auf sie? Oder versuchen wir nicht auch manchmal, uns in jugendlicher Protesthaltung dagegen aufzulehnen? Werden Patrizia und Viktor ihr Glück irgendwo dazwischen finden?
Ein ganz sprachlich und inhaltlich großartiges, ein herausragendes Buch, das mit klarem Blick zur Selbstreflexion anregt.
Zum Verlag
Einst waren es 2 Verlage, Salis und Elster, die sich 2019 zu einem gemeinsamen Verlag zusammenschlossen. Mit Sitz in Zürich verlegt Elster & Salis Belletristik und Sachbücher. Im Herbst 2021 wurde ein österreichisches Imprint gegründet mit dem Namen Elster & Salis Wien. Hier erscheint zeitgenössische Belletristik österreichischer AutorInnen. Die Förderung deutschsprachiger Werke unter dem Aspekt herausragender Literatur ist ein Merkmal des Verlages, ebenso wie die hochwertige, durchdachte und konzeptionelle Gestaltung.
Comments